Der Abschied von Großbritannien kommt dann doch tatsächlich ein klein wenig spontan … ich weiß zwar, dass ich Mitte September über Bonn wieder Richtung Süddeutschland fahren möchte, aber eine Fähre Richtung Frankreich hatte ich noch nicht gebucht… und das ist gut so, denn recht spontan beschließt mein Bruder, mich noch ein paar Tage in der Bretagne zu besuchen, die ja quasi auf dem Rückweg liegt. Ich freue mich total auf den Mini-Familienurlaub 🙂 Innerhalb von zwei Tagen haben wir ein Häuschen in der Bretagne gefunden (ein bisschen Luxus muss sein 😉 ) und er seinen Zug und ich meine Fähre nach Frankreich gebucht… und ganz plötzlich heißt das für mich, „bye bye England“ zu sagen und die Rückreise zu planen. Noch liegen so an die 250 km zwischen mir (in St. Ives) und Poole, wo die Fähre am 08.09. morgens früh um kurz vor neun ablegen soll.
Bevor ich zu meiner kleinen Erkundungstour in Cornwall aufgebrochen war, hatte ich auf Google Maps ein paar Orte markiert, die ein Blog als „die 10 Highlights von Cornwall“ (oder so ähnlich) bezeichnet hatte. Das war mehr Planung, als ich in die ganze Reise von Schottland gesteckt hatte 😉 Diese Markierungen haben tatsächlich ganz gut geholfen und bis auf ein oder zwei „Highlights“ fand ich die Auswahl richtig gut gelungen. Zwei kleine Markierungssterne liegen nun noch zwischen St. Ives und Poole und zum ersten davon fahre ich am nächsten Tag. Tintagel Castle liegt auf einer kleinen Halbinsel an der Westküste Cornwalls und ist sowohl Teil der Artussage, als auch Handlungsspielplatz der Tristan- und Isolde Sage. Vom Castle sind zwar nur noch ein paar Ruinen übrig, aber die Aussicht ist grandios und das Wetter perfekt. Touristen gibt’s auch wieder jede Menge, das verläuft sich allerdings ganz gut, nur auf einer beeindruckenden Brücke, die auf die Halbinsel führt, staut es sich ein bisschen, weil jeder ein paar Fotos machen möchte. Ein bisschen anstrengend ist ein Typ, der wohl noch auf der Suche nach dem perfekten Instagram-Foto ist 😉 der springt irgendwie wild auf der Brücke umher und ist dauernd im Weg 🙂 Amüsant ist das zwar schon, aber auch nicht ganz einfach, ihn nicht auf meinem Foto zu haben… jedes Mal, wenn ich einen Ausschnitt ohne Instagram-Typ gefunden habe und auf den Auslöser drücken will, hat der schon wieder die Position gewechselt und steht irgendwie in „meinem“ Hintergrund herum 😉 Ich bin froh, als ich mein Foto habe und weitergehen kann 🙂



Etwas abseits vom Hauptweg, der an einer Statue von König Artus vorbei führt, sitze ich lange auf einem Felsen und gucke aufs Meer … irgendwie ist der Abschied jetzt doch nah von meinem Abenteuer Schottland + England und auch wenn ich mich auf die kommenden Wochen freue, bin ich ein bisschen traurig. Küstenwanderwege, Strände und Campen in Emma machen dann erstmal eine Pause.
Abends ein paar Kilometer weiter, wandere ich dann nochmal auf einem wirklich besonders schönen Abschnitt des Küstenwanderwegs herum bis zu einer sehr felsigen Schlucht, dem „Rocky Valley“ (das war Markierungsstern Nummer 2). Die Schlucht grenzt ans Meer, bei Sturm muss es hier richtig gefährlich sein, es gibt ein paar Warnschilder, die Wellen können hier wohl sehr, sehr hoch und mitreißend werden. Danach gehts zurück zu Emma, die bereits sicher auf einem kleinen und sehr spartanischen Campingplatz steht. Irgendwie hab ich mir den simpelsten Campingplatz für meine letzte Campingnacht aufgehoben 😉 aber morgen Nacht hab ich mir gleich ums Eck vom Fährhafen ein Hotelzimmer gegönnt … da freu ich mich jetzt schon drauf und da passt das hier schon.


Weil ich am nächsten Tag die verbleibenden drei Stunden nicht so durchfahren will, gucke ich nochmal schnell auf der Karte, ob vielleicht noch irgendetwas Schönes auf dem Weg liegt und stolpere so doch am allerletzten Tag tatsächlich noch über ein idyllisches Kleinod, einen sehr wilden, aber auch unglaublich schönen Garten. Seit meinem letzten Gartenerlebnis, als es hauptsächlich von Touristen und Familien nur so wimmelte (nicht schlimm, aber ein bisschen laut 😉 ) bin ich da etwas zurückhaltend, aber die Google-Bewertungen schwanken zwischen „friedlich“ und „langweilig“ 🙂 und da bin anscheinend richtig 😉 Ein winziges Sträßchen führt zu einem kleinen versteckten Parkplatz unter Bäumen – hier passen wohl weniger als 20 Autos hin und aktuell sind es nur sieben oder so. Es gibt ein zuckersüßes kleines Cafe, das von zwei älteren Damen betrieben wird und quasi leer ist (ein gutes Vorzeichen) und im Park selbst läuft man dann nur sehr vereinzelt einer kleinen Gruppe Menschen über den Weg, ansonsten herrliche Stille 🙂 Die „Stone Lane Gardens“ am Rande des Dartmoor Nationalparks wurden von einem Birken-Liebhaber angelegt, es gibt unzählige versteckte Teiche, Bänke und ein bisschen Kunst … mal so naja, mal richtig träumerisch schön. Und unzählige Birken… Es ist herrlich entspannend und wirklich sehr, sehr friedlich und der „Gardeners Tea“ im kleinen Café mit Scones, Marmelade und schwarzem starken Tee ist sehr, sehr lecker. Ein perfekter Abschluss.




Und dann bin ich in Poole, hier wird morgen früh meine Fähre ablegen Richtung Frankreich. Mein teures Hotelzimmer liegt leider unterm Dach – und bei 27 Grad Sommerhitze und diesen typisch englischen Schiebefenstern, bei denen sich nur ein Bruchteil öffnen lässt, ist es in meinem Zimmer unglaublich stickig und warm… die Badewanne, auf die ich mich schon so gefreut hatte, würde ich am liebsten mit eiskaltem Wasser volllaufen lassen 😉 das mache ich dann aber doch nicht, sondern laufe lieber noch ein bisschen am schönen Hafen herum, kaufe noch die letzten zwei Briefmarken, schreibe die letzten beiden Karten und suche noch lange nach einem Briefkasten (unterwegs sieht man davon ja immer unzählige, aber wenn man einmal einen Briefkasten braucht…).
Nach einer nicht besonders erholsamen Nacht im warmen Dachzimmer geht’s dann am nächsten Morgen mit dem Auto den kurzen Weg zur Fähre. Das Prozedere kenne ich ja mittlerweile schon, bin aber doch überrascht, als die Dame am Schalter alle Reisepassinformationen per Telefon an ihre Kollegen durchgeben muss… am Flughafen kennt man das ja, da wird der Reisepass aber nur schnell eingescannt und fertig – hier ist das wohl noch etwas umständlicher. Jedes Wort, jede Nummernfolge muss buchstabiert werden und als sie bei meinem Geburtsort ankommt, muss ich doch lachen… sie tut mir aber auch ein bisschen leid… „Karl-Marx-Stadt jetzt Chemnitz“ muss man auch erstmal auf Englisch buchstabieren 😉 Ansonsten ist das alles hier sehr nett; Emma wird wieder kurz „durchsucht“, also einmal von innen angeschaut, ich entschuldige mich wieder kurz für das Chaos im Auto, unterhalte mich nett mit einem der Grenzpolizisten übers Campen und Reisen und verpasse schon fast das energische Winken des nächsten… und darf dann als fast eine der Ersten auf die Fähre. Kurz freue ich mich, bis ich sehe, welche Ecke man sich für Emma ausgeguckt hat. Als mich der Einweiser herumwinkt und dann meint, „und jetzt einfach rückwärts fahren, das geht ganz schnell“, kriege ich kurz die Krise und er vielleicht auch ein bisschen, weil besonders schnell geht es nicht 😉 Aber irgendwie haben wir es dann, Emma steht in der hintersten Ecke der Fähre, ich bin jetzt richtig wach und mache mich auf den Weg aufs Deck … fünf Stunden Überfahrt nach Cherbourgh in der Normandie warten auf uns.


Es sind im Endeffekt nur vier Stunden gewesen, kurz hatte mich die Zeitumstellung verwirrt 😉 , denn obwohl ich noch immer westlich von London Greenwich bin, ist die Zeit schon wieder dieselbe wie „zuhause“.
Der Weg zum Campingplatz wird nochmal ein bisschen aufregend, denn ein bisschen Schiss habe ich ja vor dem „wieder richtig fahren“ gehabt … und ich stelle bald fest: völlig zu Recht. Es ist – nun ja – nicht besonders witzig. Anscheinend wird Intuition in drei Monaten überschrieben, denn mein ganzer Kopf schreit „fahr links“ … die anderen Autos auf der rechten Spur helfen zwar, aber die fremde Stadt und das fremde Land irgendwie nicht so sehr… ich versuche, meinen Kopf quasi mit bekannten Straßenbildern aus Deutschland zu „bombardieren“, damit er versteht, das rechts fahren eigentlich voll normal ist, aber das ist ganz schön anstrengend und funktioniert wirklich nur so mittel… oje. Ziemlich erledigt komme ich an meinem ersten französischen Campingplatz an, finde noch ein Plätzchen und trinke das letzte englische Cider aus der Kühlbox… puh… die Fahrt heute war nur sehr kurz, morgen habe ich einen Wandertag geplant, aber übermorgen muss ich 200 km fahren, um meinen Bruder in St. Malo abzuholen… wie soll das nur werden?