Zugfahrt nach Athen, Etappe 10: Ohrid – Bitola – Florina – Thessaloniki – Athen

Vorgestern Nachmittag bin ich in Athen angekommen – und zwar tatsächlich mit einem Zug … aber bis dahin war’s doch nochmal eine ganz schöne Strecke und recht „abwechslungsreich“ muss ich sagen …

Die Busabfahrtszeiten von Ohrid nach Bitola, beides Nordmazedonien, sind gar nicht so besonders regelmäßig, der erste Bus fährt kurz nach sechs Uhr morgens, der zweite kurz nach zwölf … ich denke, es ist klar, für welchen der beiden ich mich entscheide 😉 nach Bitola sind es nur zwei Stündchen, die Fahrt ist landschaftlich richtig schön, wenn man sie denn aus den irgendwie jenseits von dreckigen Fenstern erkennen würde … Was ich übrigens sehr faszinierend finde: jeder einzelne Bus, mit dem ich bisher unterwegs war – und zwar wirklich jeder, egal in welchem Land – kommt anscheinend aus Deutschland und keiner hat sich die Mühe gemacht, die deutschsprachigen Schilder zu überkleben … wobei ich mir jetzt auch nicht sicher bin, ob eine kroatische, albanische oder mazedonische Übersetzung von „Während der Fahrt bitte anschnallen“ irgendjemanden hier dazu veranlassen würde, sich tatsächlich anzuschnallen 😃

Da ich ab Florina in Griechenland ja wieder per Zug unterwegs sein möchte, ist das jetzt voraussichtlich meine letzte Busfahrt gewesen und auch wenn jede einzelne deutlich besser war, als vorab befürchtet, freue ich mich, Griechenland wieder per Zug zu bereisen.

Nachdem ich in Bitola angekommen bin und meine Unterkunft gefunden habe, schau ich mich noch ein bisschen um. Bitola ist ein nettes kleines Städtchen, haut mich jetzt aber nicht vom Hocker 😉 Aber ich wollte gerne hier eine Nacht bleiben, um in Ruhe ein Taxi nach Griechenland zu finden, denn richtig: grenzübergreifenden öffentlichen Nahverkehr gibts hier nicht, ein Taxi ist die einige Option. Das ist jetzt nicht ganz preisgünstig, aber hier bleiben, halt auch keine Alternative 😉 Aber ich wusste das ja von vornherein.

Der Uhrturm von Bitola, ein Wahrzeichen der Stadt
Sehr schöne Ausgrabungsstätte, als ich ankomme, wird es allerdings gerade dunkel, kein Mensch ist mehr da und zwei Hunde streiten sich … ich bleibe also lieber am Eingang stehen 😉

Mein Taxi ist jetzt ein bisschen überdimensioniert für eine Person, aber was soll’s … der Grenzübergang ist spannend, für mich ganz easy, aber für meinen Taxifahrer, der regelmäßig Kunden zwischen den beiden Ländern chauffiert, deutlich komplizierter. Nordmazedonier brauchen tatsächlich ein Visa, um in ihr Nachbarland zu fahren und während mein Taxifahrer noch entspannt an der nordmazedonischen Grenze mit den Grenzbeamten plaudert, blättert der griechische Kollege wirklich sehr lange und sehr angestrengt durch die Papiere … Aber dann sind wir über die Grenze, ich bin wieder in der EU (was Währungs- und Handymäßig sehr praktisch ist) und wir cruisen über eine völlig leere Autobahn. Gut, warum wir mitten auf der zweispurigen Autobahn fahren müssen und nicht auf einer der beiden Spuren, ist mir nicht ganz klar, aber was soll‘s 😉

Wenn einen mehrere Leute fragen, für wann man den Anschluss in Florina gebucht hat und dann sehr überrascht sind, wenn man sagt, dass man eine Nacht in Florina bleiben möchte, dann sollte man stutzig werden 😉 Anscheinend ist Florina jetzt nicht als Touristenattraktion bekannt … Außerdem ist Sonntag und da ist hier ähnlich viel los wie in einer deutschen Kleinstadt… nämlich nix. Bleibt nur eins, spazieren gehen 😊 Florina ist von bewaldeten Hügeln umgeben und so wandere ich durch ein bisschen Wald auf kleinen Trampelpfaden nach oben. Recht steil nach oben. Auf recht kleinen etwas rutschigen Pfaden. Toller Plan 😉 Aber zur Abwechslung ist so ein bisschen Grün mal ganz schön. Relativ weit oben angekommen, ist erstmal ein kleines Strässchen und dann wieder Wald, interessanterweise mit hohem Zaun und dieses Schild:

Solche Warnschilder mag ich nicht …

Ich kann zwar kein Griechisch, aber das Bild sieht doch sehr eindeutig aus. Gibt es in Griechenland echt Bären? Eine kurze Google-Recherche ergibt: In Griechenland gibt es die größte Bärenpopulation von Europa. Okeeee. Wieder was dazu gelernt. Und die meisten leben auf dem Berg Verno, und der liegt zwischen Kastoria und Florina… Und wenn ich mal so bei Google Maps gucke, stehe ich gerade auf den allerdings äußersten Ausläufern des Berges (zum eigentlichen Berg sind es schon noch 25 km oder so). Etwas unwohl fühle ich mich schon und habe jetzt meine Erklärung für die hohen Zäune … Ich sage es mal so, ich wandere recht zügig wieder ins Dorf 😉

Ganz nett in Florina ist das kleine Flüsschen mit vielen Cafés an beiden Seiten

Die nächste Überraschung wartet auf mich, als ich den Bahnhof suche. Es gibt ihn, aber momentan ist er geschlossen, es fahren nämlich keine Züge, weil die Schienen kaputt sind … soviel also zu meinem Plan, ab jetzt Zug zu fahren. Wieder einmal steige ich also am nächsten Morgen in einen Bus und es geht nach Thessaloniki, der zweitgrößten Stadt in Griechenland. Der Bus ist recht voll, ansonsten ist es aber eine sehr entspannte und ruhige Fahrt, zur Abwechslung gibts mal keine laute Musik für alle aus den Lautsprechern 😉

Es dauert ewig, bis ich vom Busbahnhof in der Stadt bin, denn zum Einen streiken gerade landesweit die Taxifahrer und zum anderen komme ich hier zum ersten Mal so richtig mit der griechischen „Pünktlichkeit“ in Kontakt. 😃 Der Bus in die Stadt, der so aller zehn Minuten fahren soll, kommt und kommt einfach nicht. Und auch wenn ich kein Wort meiner Mit-Wartenden verstehe, ist es recht eindeutig, dass sie auch ein kleines bisschen beunruhigt und ungeduldig werden … aber dann, geschlagene 40 Minuten später kommt ein Bus und nach zehn Minuten bin ich am Hauptbahnhof. Ich will noch schnell mein Ticket für morgen kaufen, denn mit der griechischen Bahn-Website bin ich überhaupt nicht klar gekommen. Fünf Minuten später halte ich mein Zugticket in der Hand und habe die Erkenntnis gewonnen, das morgen ein anstrengender Tag wird, denn: auch zwischen Thessaloniki und Athen sind die Schienen größtenteils durch die verheerenden Überflutungen im September diesen Jahres zerstört worden und ich werde erst vier Stunden Bus fahren morgen und dann für die letzten zweieinhalb Stunden in den Zug umsteigen. Ich gebe zu, meine Zugreise von Ravensburg nach Athen hatte ich mir ein bisschen anders vorgestellt, aber was soll’s, so ist das jetzt halt.

Abends lese ich, dass es im März diesen Jahres auch noch ein katastrophales Zugunglück zwischen Thessaloniki und Athen gab. Das Schienennetz ist wohl sehr veraltet und die Technik noch sehr wenig automatisiert. Ein Personenzug und ein Güterzug waren aufeinander geprallt, es gab unzählige Tote … Jetzt bin ich fast etwas erleichtert, morgen größtenteils mit dem Bus unterwegs zu sein …

Von Thessaloniki sehe ich an diesem Nachmittag leider nur einen winzigen Ausschnitt: das Wahrzeichen der Stadt, den weißen Turm, außerdem den großen Platz Platio Aristotelous, die berühmte Kirche Hagia Sophia und …

Der weiße Turm, eines der Wahrzeichen direkt am Wasser
Schicke Häuser am Platia Aristotelous
Hagia Sophia in Thessaloniki

… Delfine. Ganz waschechte muntere Delfine direkt neben dem Hafen… Die Fotos sind natürlich mal wieder eher nix, folgendes ist noch das beste … rechts neben dem Schiff sieht man einen schwarzen Punkt und wer näher ran zoomt, den Delfin.

Ein Schiff und ein Delfin vor Thessaloniki …

Und dann startet meine letzte Reiseetappe am Dienstagmorgen pünktlich um acht Uhr neben dem Bahnhof in Thessaloniki. Alle sind da: der Bus, augenscheinlich der Fahrer, noch drei Angestellte der Eisenbahn (erkennt man an der Uniform, und am Klemmbrett 😉) und ein paar Reisende, also genau acht an der Zahl, einer davon sichtbar aufgeregt und laut und wild mit dem Bahnpersonal diskutierend. Unser Gepäck wird eingeladen … und dann passiert erstmal nix. Die drei Eisenbahnangestellten stehen zusammen, einer telefoniert, der Fahrer raucht, die Reisenden warten geduldig. Was oder wer fehlt denn, frage ich mich.

Und dann kommt auch noch die Polizei… vier Polizisten auf zwei Motorrädern. Und dann wird wild diskutiert, mit dabei, ganz besonders wild diskutierend der schon vorher ein wenig auffällige Herr … ich hab keinen Plan, was hier passiert, es muss ja irre wichtig sein, wenn sich gerade dadurch die Busabfahrt verzögert. Denke ich. Die jüngeren griechischen Reisenden haben sich mittlerweile angefreundet und nach 20 Minuten wird mir die reine Beobachtung doch zu blöd und ich frage mal, ob sie Englisch sprechen und ob sie wissen, was hier grade los ist. Tun sie perfekt und das Problem ist folgendes: der Herr hatte ein Ticket für gestern, konnte da die Fahrt nicht antreten, hatte gestern noch gefragt, ob er heute fahren darf mit dem Ticket für gestern und darf es jetzt doch nicht. Es geht um einen Fahrpreis von vermutlich maximal 40 Euro. Und damit befassen sich jetzt drei Bahnmitarbeiter, vier Polizisten und anscheinend noch viele Leute am anderen Ende der Handys, die diese sieben Leute teilweise am Ohr haben. Mittlerweile haben wir eine Verspätung von 25 Minuten. Wegen einem Ticket von 40 Euro in einem doch fast leeren Bus.

Die drei Griechen, mit denen ich mich unterhalte, lachen mich fröhlich an und meinen „Willkommen in Griechenland“ 😃 Sie wollen wissen, ob ich in Athen einen Flug gebucht habe und sind kurz erschrocken als ich „ja“ sage, aber beruhigt, als ich „für Sonntag“ hinzufüge. Sie lachen. Bis Sonntag sind wir in Athen, versichern sie mir 😃 Großartig. Ob die griechische Mentalität und ich so ganz ein Dreamteam werden, weiß ich noch nicht 😉

Wenn mir jemand gesagt hätte, das alle Busse in Kroatien, Montenegro, Albanien, Nordmazedonien und ja gestern auch in Griechenland (bis auf den städtischen Nahverkehr) total pünktlich sein werden und eigentlich nichts unvorhergesehenes passiert, hätte ich leise Zweifel geäußert. Doch genau so war es. Fast schon langweilig 😉 Alles immer super pünktlich. Wenn mir jemand gesagt hätte, dass die allerletzte Fahrt in Griechenland ohne Grenzübertritt die spannendste wird, hätte ich den Kopf geschüttelt… tja, so kann man sich irren.

Mit etwas mehr als 30 Minuten Verspätung starten wir dann übrigens doch, ohne den Herrn … die weitere Fahrt ist total unaufregend und vier Stunden später sind wir am Umstiegsbahnhof, wo unser Zug auf uns warten soll. In Deutschland wäre ich ja jetzt aus dem Bus gesprungen, rüber zum Gleis gehetzt und in den Zug gehüpft (der vielleicht schon gar nicht mehr da gewesen wäre…). Die griechische Mentalität färbt aber ab 😉 Einer der Griechen von vorhin, der auch nach Athen muss, zeigt mir den Weg; ganz gemütlich bummeln wir rüber zum Gleis, warten entspannt auf den Aufzug (er ist mit zwei schweren Koffern unterwegs), quatschten noch kurz am Zug an den offenen Türen – der Zugbegleiter, der bis jetzt unser Busbegleiter war, hat uns ja im Blick – dann steigen wir in Ruhe ein. Ich sitze noch nicht, da fährt der Zug los. Na das nenne ich ja mal ein schönes Umsteigen 😊 Kein Gerenne und los gehts, wenn ich im Zug bin 😉 zugegebenermaßen nicht besonders effizient, aber entspannt.

In griechischen Zügen setzt man offenbar auf Lila 😉

Ein klitzekleines bisschen besorgniserregend finde ich ja, dass der Zug vor jeder Kurve und in jedem Tunnel hupt. War das hier schon immer so oder ist das eine Sicherheitsmaßnahme seit dem Unfall? Ich weiß es nicht, vielleicht ist das aber auch besser so. Die vorbei ziehende Landschaft ist übrigens total schön, aber den ganz beeindruckenden Part mit Olymp und so haben wir verpasst, die Autobahn führte da, anders als die Zuggleise, nicht direkt daran vorbei.

Und dann fahren wir, auf die Minute pünktlich(!!!) am Athener Hauptbahnhof ein. Ich hab’s geschafft! Yippieh!! Zwischendurch war ich mir da manchmal nicht so sicher gewesen … 😉

Das letzte Zugbild dieser Reise 😉
Ich war mir manchmal zwischendrin gar nicht so sicher, ob ich dieses Schild irgendwann mal noch zu Gesicht bekomme 😃

Irgendwie ganz schön verrückt, dass ich knapp vier Wochen nach Start nun tatsächlich am Ziel meiner Reise bin, in Athen. Ich habe tolle Städte kennengelernt, von manchen hatte ich vorher noch nicht mal gehört 😉 in manche wollte ich schon immer mal reisen. Und irgendwie habe ich so ein viel, viel besseres Gefühl dafür bekommen, was eigentlich zwischen meinem Zuhause und Athen alles so liegt… auf meiner Route waren das Österreich, die Slowakei, Ungarn, Kroatien, Montenegro, Albanien und Nordmazedonien.

Bis Sonntag bin ich noch in Athen und so gespannt auf diese alte griechische Stadt …

Ein allererster Eindruck am allerersten Abend und ein Blick auf die Akropolis

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