Ich bin in Finnland. Wie immer ein maximal unaufgeregter Grenzübertritt; ich finde es hier in Europa immer noch jedes Mal ein bisschen unglaublich, dass wir einfach so von Land zu Land reisen dürfen und keiner fragt, wohin und warum wir das denn eigentlich wollen… Was für ein Privileg und Luxus!
Es folgt aber direkt eine große Ernüchterung … allerdings nur beim Thema Geschwindigkeitsblitzern 😉 … die Finnen halten es dabei anders als die Schweden und Norweger … Blitzerwarnschilder ohne Blitzer, Blitzer ohne Blitzerwarnschilder … nur gut, dass das Navi immer noch so lustig piepst, wenn sich ein Blitzer nähert, wenigstens darauf ist Verlass 🙂
Ansonsten ist Finnland fürs Erste genauso, wie man es sich immer vorstellt: eine ziemlich schnurgerade Straße und links und rechts Wald. Dann ein paar Häuser und dann gleich wieder … genau: Wald. Leider hat sich das Wetter ein bisschen geändert, es regnet. Allerdings liegt das nicht an Finnland, das hatte sich schon weit vor der Grenze abgezeichnet 😉 Aber da kann man nix machen, außerdem ist die Wettervorhersage optimistisch, das sich das in eins, zwei Tagen wieder zum Besseren wandelt.

Nach anderthalb Stunden bin ich in Rovaniemi. Rovaniemi ist … nun ja, eine große Stadt, übrigens die Hauptstadt Finnisch-Lapplands, die im zweiten Weltkrieg arg zerstört wurde und danach praktisch neu aufgebaut wurde. Schön ist – zumindest meiner Meinung nach – anders. Aber das ist ja Geschmackssache 😉
Für zwei Tage habe ich mir hier eine Ferienwohnung gegönnt, richtig schön und gemütlich muss ich sagen. Sozusagen als kleine Pause vom Herumreisen und kurze Basis zum Wäschewaschen und nochmal Vorräte auffüllen. Wettertechnisch hat es sich mittlerweile richtig eingeregnet und eigentlich kann ich mein Glück kaum fassen: Nach so vielen Sonnentagen kommt ausgerechnet dann der Regen, wenn ich eine schöne Ferienwohnung mit gemütlicher Couch habe und WLAN 😉 Was hätte ich mir für Ausreden einfallen lassen müssen, um trotz Sonne auf dem Sofa zu faulenzen … aber so … Netflix, ich komme!
Zwei Tage später 😉
Emma und ich sind wieder „on the road“ Das Ziel heute ist nur acht Kilometer entfernt und vereint zwei „Highlights“: den nördlichen Polarkreis und das Weihnachtsmanndorf (ich hab mich mal für diese Reihenfolge entschieden). Es ist … interessant … den Weihnachtsmann selbst besuche ich zwar nicht, aber ich gucke mich überall mal interessiert um, schieße ein paar Fotos, beobachte ein paar Touristen (überraschend viele Deutsche wieder hier) und bin dann recht froh, als ich mich wieder auf den Weg mache in Richtung Norden.






Und jetzt? So ganz weiß ich nicht weiter, wohin mit Emma und mir. So ein bisschen neu und auch ein bisschen wilder als bisher Bekanntes ist dieses Lappland ja schon … Die Straßenverhältnisse hier kann ich nur schwer einschätzen (die große nach Norden führende „Autobahn“ ist schon mal super, aber was ist mit Nebenstraßen?), dazu kommen jede Menge Warnungen vor Elchen, die schwere Autounfälle verursachen können und die Campingplätze, die sich ausnahmslos an eben genannter Autobahn befinden, sind wirklich katastrophal bewertet. Völlig veraltete und mehrheitlich dreckige Sanitärgebäude (laut Bewertungen) und immer direkt neben der Autobahn, also Straßenlärm (und ja, hier ist es schon leerer, aber halt auch nicht leer) inklusive. Ich bin ein bisschen überfordert. Wild campen war in Schweden immer eine gute Option, aber hier? Ist das nicht vielleicht ein bisschen zu wild für uns?
Ich mache einen Plan: entweder wir übernachten heute „wild“ und bleiben auf der Autobahn (und ignorieren den Lärm) oder wir wagen uns ein bisschen ins Hinterland und gönnen uns dafür noch mal eine Hütte oder ähnliches mit ein paar Annehmlichkeiten (also fließend Wasser im Bad und WLAN, ich muss den Blog nämlich mal ein bisschen fortführen *hust* da war in Rovaniemi eine spannende Serie, die hat sich vorgedrängelt 😉 ).
Ein Blick in bekannte Buchungsportale zeigt: viel gibt es sowieso nicht, frei ist noch viel weniger, aber etwas abseits an einem großen See, etwa eine Stunde Umweg von der Autobahn gibt es noch ein wirklich top bewertetes Häuschen. Also: Nebenstraßen- und Elchfrequenz Test mit gemütlicher Behausung als Belohnung. Los geht’s!
Was soll ich sagen, die Nebenstraßen sind genauso gut in Schuss wie die Hauptstraße, halt ein bisschen schmaler, aber immer noch breit genug für zwei Autos. Ich halte etwas nervös nach Elchen und dergleichen Ausschau … und was läuft irgendwann seelenruhig über die Straße (in noch guter Entfernung) – ein Rentier … ich gebe es zu, erstmal halte ich es für einen Baby-Elch 😉 eine kurze Internetrecherche (Netzabdeckung ist hervorragend, auch das ein gutes Zeichen) zeigt aber, dieses lustige Etwas war kein Elch, sondern ein Rentier … und von denen werde ich den kommenden Tagen so viele zu sehen bekommen, das sogar irgendwann der Handy-aus-der-Tasche-ziehen-und-sofort-Fotos-machen-Impuls langsam aber sicher abnimmt 🙂 Aber noch ist jedes Rentier ein absolutes Highlight und wird eifrig geknipst! Was soll ich sagen, so was Lustiges und Knuffiges habe ich selten gesehen. Von herannahenden Autos lassen sie sich weniger beeinflussen, springen aber wenigstens auch nicht so spontan und quasi „Aus dem Nichts“ aus dem Gebüsch vor ein Auto, wie man das vom (deutschen) Reh so gewöhnt ist (zum Glück springt das halt seltener auf die Straße). Rentiere sind eher interessiert am Geschehen, habe ich das Gefühl und an so einer Straße passiert halt was und man hat was zu gucken 😉


Irgendwann bin ich auch wieder recht entspannt am Steuer, zwar deutlich unter dem Tempolimit (die 80 erscheint grade als viel zu hohe und risikoreiche Geschwindigkeit…), aber halt entspannt. Und am Ende der Fahrt entpuppt sich das Häuschen als absolutes Träumchen. Einziges Manko, direkt hinter dem Haus ist der Hundezwinger mit den so typischen Huskies hier und die sind nicht zu halten und wirklich laut… Auch eine neue skandinavische Erfahrung: meine Vermieter sprechen kein Wort Englisch. Beim Willkommen holt die Vermietern schnell ihren Sohn, der spricht ganz gut Englisch, das läuft super (wobei in diesem Ferienhaus auch alles selbsterklärend ist), später treffe ich noch ihren Mann, der dann aber einfach in sein Handy spricht und mir die Übersetzung zeigt – ein Hoch auf die Technik!!
Mit ein bisschen mehr Sicherheit und Selbstbewusstsein für finnische Straßenverhältnisse ausgestattet, starte ich dann am nächsten Tag erstmal wieder Richtung Autobahn (sie führt halt nach Norden), aber mit dem Vorsatz, dass es so wild hier nicht ist und das Wildcampen als Alternative zu komischen Campingplätzen absolut ok sein sollte.
Gut, diese Sicherheit wird nochmal kurz auf die Probe gestellt, als sich herausstellt, dass die kompletten 50 Kilometer zur Autobahn heute unbefestigt sind und ich anderthalb Stunden brauche, weil ich nicht so zügig über diese Holperpiste möchte, aber diese anderthalb Stunden führen durch so wunderschöne Natur mit tollen kleinen Haltebuchten (in denen ich mir gut vorstellen könnte, auch über Nacht zu stehen), das ich am Ende allen Nebenstraßen einfach mal pauschal einen „Daumen hoch“ gebe. Das hier wird großartig, da bin ich sicher. Lappland, ich komme 🙂

Mit einer Rentier“familie“ habe ich richtig viel Spaß: „Mama“ und „Kind“ traben ewig vor mir her … fahre ich langsam auf sie zu, laufen sie aufgeregt vor mir weg … aber nicht etwa die Böschung runter und in den schützenden Wald … nein!! … immer schön mittig auf der Straße. Bleibe ich stehen (ich will sie ja auch nicht verschrecken), bleiben sie auch sofort stehen und schauen neugierig her… und so geht das vielleicht eine Viertelstunde lang. Zwischendurch gesellt sich noch „Papa“ Rentier dazu, siehe Foto, aber dem wird das nach kurzer Zeit zu blöd und er springt wieder runter in den Wald… Es ist ein köstliches Schauspiel und davon abgesehen, das ich längere Zeit nicht weiter-, weil nicht dran vorbeikomme, ist es einfach nur sehr, sehr herrlich!!!
