Also klar, es gibt ganz schön viele Dinge, die schlimmer oder auch nur ein klitzekleines bisschen unangenehmer sind, als insgesamt zwei Wochen in Kiruna und Umgebung auf zwei Reifen zu warten mit einem immer noch fahrtüchtigen Auto … bei traumhaften Sonnenschein wohlgemerkt … ganz klar …
Aaaaber … ich könnte jetzt halt auch auf den Lofoten bei selbigen Sonnenschein sitzen und wandern und die Aussicht genießen 😉 Ihr versteht das Dilemma 🙂
Eine Woche habe ich mit meinem Zugausflug und Wanderabenteuer ja wirklich gut verbracht – eine Woche Lieferzeit war ja auch die Aussage des Reifenhändlers gewesen… als ich aber nach einer Woche noch nix wieder gehört habe und am Telefon nur eine nette schwedische Stimme nette schwedische Auswahlmöglichkeiten nennt, fahre ich einfach nochmal kurz vorbei und frage nach. Noch nix da, kommt eventuell morgen, ist die (übrigens leicht genervte) Antwort … nun ja, morgen ist Freitag und vielleicht … vielleicht verbringe ich das Wochenende ja schon … nee, nur um das direkt vorweg zu nehmen, das Wochenende verbringe ich in der Gesellschaft von ganz reizenden und hunderten Mücken auf einem ansonsten aber wirklich ganz reizenden kleinen Parkplatz mitten im Wald in der Nähe von zwei kleinen Seen (ja da hätte man mit den Mücken schon rechnen können, ich weiß)… die Reifen lassen weiterhin auf sich warten.



Ich lese ein bisschen, surfe ein bisschen (im Internet, perfekter Empfang hier im Nirgendwo), telefoniere ein bisschen und wünsche mich schon auch ein bisschen auf die Lofoten. Ich weiß, Jammern auf ganz hohen Niveau. Abends, als ich ganz überzeugt bin, das hier wirklich nichts und niemand in der Nähe ist und ich grade über einen kleinen Abendspaziergang nachdenke, erklingt vom kleinen See ein so lautes Platschen, das ich schon ein bisschen erschrecke … das war keine Ente… mein Abendspaziergang wird doch mal lieber auf den Vormittag verschoben 😉 Morgens dann werde ich kurz nach sieben geweckt, weil neben mir ein Auto parkt … drei Jäger …
Ich muss ja sagen, Menschen mit einem Gewehr über der Schulter kannte ich bis jetzt wirklich nur aus dem Fernsehen … hier in Schweden gehört es irgendwie ein bisschen mehr zur Realität … schon komisch.
Einer der Jäger wünscht mir auch einen guten Morgen (bin mal aus dem Auto gekrabbelt) und erzählt mir, sie wollten einen Elch jagen.
Ich so: Gibt’s denn davon hier viele?
Und er: Ja, mehr als Rentiere. Bären und Vielfrasse gibt es aber hier nur wenige.
???
Ganz ehrlich, ich dachte Bären und Vielfraße gäbe es hier gar keine … nicht nur „ganz wenige“ … naja, wieder was dazu gelernt und da ich auf allen Schweden- und Norwegenfotos von Touristen noch nie einen Bären gesehen habe, glaube ich kaum, das ich die erste sein werde, die ihm begegnet … aber gut, Abendspaziergänge im Wald müssen vielleicht wirklich nicht sein 😉
Nicht weit von meinem kleinen Parkplatz entfernt ist auch ein kleines Dörfchen mit sehr alter und hübscher Kirche und kleinem Museum. Ins Museum gehe ich zwar nicht (das dritte Samen-Museum in zwei Wochen ist leider ein bisschen viel), aber ich esse einen sehr leckeren (sorry!) Rentier-Burger in einem wundervollen kleinen Restaurant, in einer Art Riesen-Zelt mit prasselndem Holzfeuer in der Mitte.


Für die folgende Nacht buche ich mir mal wieder eine kleine Hütte (Wärme, Dusche etc… 😉 ), direkt an einem See mit einem sensationellen Bett, das erhöht direkt unter einem Glasdach steht … eine richtige Polarlichthütte … sehr klein, aber sehr fein.
Polarlichter sehe ich zwar nicht wirklich in dieser Nacht, aber einen wunderschönen Sternenhimmel …


Aber am nächsten Morgen gehen mir dann so ganz langsam wirklich die Ideen aus, was ich noch in und rund um Kiruna machen könnte. Gefühlt führen vier Straßen in das kleine Städtchen und auf jeder einzelnen stand ich jetzt schon mindestens eine, manchmal auch zwei Nächte irgendwo mehr oder weniger versteckt. Wanderwege gibt es hier entweder wirklich wenige oder sie sind keiner meiner Apps bekannt und ganz munter durchs Dickicht will ich dann irgendwie auch nicht losmarschieren.
Eine Strasse fehlt mir aber noch 🙂 … die nach Gallivare, ein Städtchen etwas südlich von Kiruna gelegen. Hier liegt unterwegs auch noch ein schöner kleiner Campingplatz, auf dem ich einen sehr schönen und sehr entspannten Nachmittag verbringe und mir fest vornehme, einfach entspannt abzuwarten, irgendwann werden diese Reifen ja doch kommen.

Abends meldet sich meine Polarlichter-App wieder und vermeldet gute Chancen und tatsächlich kann ich noch eine halbe Stunde Polarlicht-TV gucken … spannenderweise ist sonst niemand von meinen Mitcampern zu sehen, dabei sind die Polarlichter mittlerweile schon viel früher zu sehen, als noch vor einer Woche, weil es mit großen Schritten immer früher dunkel wird.

Nun ja, mit der Geduld ist das ja so eine Sache 🙂 und so stehe ich am nächsten Morgen, es ist mittlerweile schließlich Dienstag, wieder vor der Werkstatt und tada… die Reifen sind (wohl) vor zehn Minuten geliefert worden. Glaube ich jetzt einfach mal. Ich darf in zwei Stunden nach der Mittagspause wiederkommen und nochmal eine knappe Stunde später ist Emma wieder fit …
Die Jungs schrauben auch das Ersatzrad wieder an die vorgesehene Stelle unters Auto (mit richtig finsterer Miene, also irgendwie kommen Werkstätten außerhalb Deutschlands und ich noch nicht so auf einen grünen Zweig…), aber egal – endlich habe ich wieder ein bisschen Platz im Auto und fahre los … einfach los und immer weiter Richtung Lofoten.
Muss ich es erwähnen? In der Minute (ungelogen!), als ich die Werkstatt verlasse, fängt es an zu regnen … och nee …

Eigentlich will ich unterwegs noch irgendwo Halt machen, aber die Westküste Norwegens zieht mich einfach immer weiter an 😉 (und der Regen macht Pausen jetzt auch nicht so verlockend…) kurz nach acht, die Sonne ist grade untergegangen, komme ich auf einem kleinen und verlassenen Wanderparkplatz ganz im Westen der Lofoten, 400 Kilometer und sechs Fahrstunden entfernt von Kiruna an. Da habe ich heute ganz gut Strecke gemacht 😉 Und gucke zum ersten Mal seit Tagen sehr nervös auf die Wettervorhersage der kommenden Tage und bin total erleichtert, dass es zumindest morgen und übermorgen gut aussieht… Ich bin unglaublich froh, jetzt hier zu sein und auf dem Handydisplay für morgen sogar ein heiteres Sonnensymbol zu sehen … und ich hoffe, dass Emma und ich jetzt halbwegs heile weiterkommen …
