Lofoten oder Vesterålen?

Ich bin auf den Lofoten angekommen – oder? Das habe ich zumindest erstmal allen fröhlich erzählt, aber irgendwie hören fast alle Reisevorschläge für die Lofoten leicht südlich von meinem aktuellen Standpunkt auf und irgendwann ergibt eine Recherche, dass das daran liegt, das ich noch gar nicht auf den Lofoten, sondern auf den Vesterålen bin, einer Inselgruppe, die sich nördlich an die Lofoten anschließt … hmm … aber eigentlich ist das ja auch völlig egal 😉 das Wetter ist auf jeden Fall ein Traum – und das ist ja alles, was zählt 😉

Die Sonne scheint auch wirklich sehr strahlend, als ich an meinem ersten Tag hier aufbreche auf eine Wanderung, die ich schon ganz lange mal machen will – die Dronningruta, die Wanderung, die einst (1994) Königin (= Dronning) Sonja von Norwegen so schön fand, dass sie nach ihr benannt wurde. Nochmal bekannter und beliebter wurde sie, als sie 2012 von den Leser:innen des Magazins Friluftsliv zur schönsten Wandertour Norwegens gewählt wurde. Da sie aber etwas „ab vom Schuss“ liegt (halt nicht auf den Lofoten 🙂 ), ist sie trotz ihrer Beliebtheit alles andere als überlaufen.

Dass die Wanderung als „rot“ und damit als eher schwierig (für norwegische Verhältnisse!) eingestuft wird, ignoriere ich mal geflissentlich – wird schon schiefgehen 😉

Die Dronningruta ist ein Rundwanderweg zwischen den kleinen (ehemaligen) Fischerdörfchen Nyksund und Stø. Einmal geht es dabei recht anspruchsvoll über die Berge, einmal recht einfach an der Küste entlang. Theoretisch ist es ganz egal, wie man die Tour läuft, aber alle – auch die offizielle norwegische Tourenbeschreibung, und das will schließlich was heißen – empfehlen deutlich, die Bergroute immer von Nyksund nach Stø zu laufen und auf keinen Fall umgekehrt. Wird schon seine Gründe haben, denke ich…

Es geht los … noch bin ich sehr zuversichtlich

Ich fasse den ersten Versuch – denn etwas anderes wird es leider an Tag 1 nicht – mal so zusammen: ich schaffe es, auf einer eigentlich ziemlich gut ausgeschilderten Route, direkt am Anfang zweimal (!) falsch abzubiegen… einmal wähle ich damit „nur“ einen deutlich steileren Aufstieg auf den ersten Bergkamm als eigentlich notwendig, beim zweiten falschen Abzweig steige ich aber als allererstes zur Küste runter und befinde mich damit auf der „falschen“ Rundwanderwegrichtung … warum mir mein Fehler eigentlich nicht eher auffällt, als in dem Moment, an dem ich fast an der Küste unten bin (bei 200 Höhenmetern sollte man ja meinen, das man es eher bemerkt, wenn es nach unten anstatt nach oben geht) – keine Ahnung – vielleicht, weil mich erst der Aufstieg und dann dieser sehr, sehr steile Abstieg quasi sämtliche Nerven kostet und ich so vorsichtig Schritt für Schritt setze, um nicht auszurutschen, das ich einfach nicht mehr weiter als bis zum nächsten Schritt denke … Jedenfalls bin ich irgendwann an der Küste, fix und fertig und beschließe, jetzt ein bisschen Pause an der Küste zu machen und dann auch einfach wieder gemütlich (naja, einmal 200 Höhenmeter hoch und wieder runter ist nicht direkt gemütlich …) zum Auto zurückzukehren, anstatt eine schwierige Route auch noch „falsch“ herum zu versuchen…

Die Aussicht war schön!

Ich bin mir zwar ziemlich sicher, dass das die richtige Entscheidung ist, aber ärgere mich trotzdem über mich selber (denn den Wegbeschilderungen kann man wirklich keinen Vorwurf machen, man muss sich schon sehr doof anstellen …)

Zwei gute Seiten hat mein Missgeschick:

Erstens, mit mir war am Vormittag ein Pärchen aufgebrochen, das mir allen Ernstes versucht hat, weiszumachen, dass es ganz langsam laufen würde (und dabei sehr sportlich wirkte)… sie wollten partout nicht vor mir starten, dabei finde ich es immer ein bisschen anstrengend, wenn jemand direkt hinter mir den Berg hoch läuft und tendenziell schneller ist… aber gut, kaum war ich gestartet, sind sie auch direkt hinterher und hatten mich eigentlich fast wieder eingeholt, als ich … genau, das erste mal falsch abgebogen bin. Danach haben wir uns aus den Augen verloren, ich war ja auf einer recht steilen Bergbesteigung unterwegs und sie sind vermutlich schon vor mir richtig abgebogen … Was ganz witzig ist: wenn sie jetzt abends nach vermutlich erfolgreicher Tour zum Auto zurück kommen, ist ja mein Auto schon weg und sie werden sich fragen – war sie doch schneller? 🙂

Zweitens, selten bin ich so früh an einem Campingplatz gewesen und habe richtig viel Glück. In der begehrten ersten Reihe direkt am Fjord gibt es noch einen freien Platz, jetzt meinen 😉 Ich bekoche mich mit einem indischen Butterhühnchen (Frust- und Trostkauf) und genieße später noch richtig schöne Nordlichter. Ja, ganz ehrlich, es könnte schlimmer sein 😉

Viel schöner kann man nicht stehen
Abends kommen noch ein paar Spektakel dazu …
Wieder Polarlichter, was für ein Traum

Weil ich ein Glückskind bin, bekomme ich vom Wettergott am nächsten Tag noch eine zweite Chance, wieder wunderbarer Sonnenschein. Was will ich mehr? Ich starte heute mal von der anderen Seite (von Stø), weil ich rausgefunden habe, dass ich dann zwei von 15 Kilometern sparen kann und laufe als erstes an der Küste entlang. Wunderschön! Leider hat es die Sonne noch nicht über den Bergrücken geschafft, aber das ist wirklich das einzige Manko gerade. Den Aufstieg zum Sattel und damit zum Startpunkt der eigentlichen Bergroute kenne ich noch vom Tag zuvor und oben angekommen, mache ich erst eine Pause und wage mich dann an den richtigen Aufstieg.

Wunderschön hier und aktuell noch richtig easy zu laufen
Hier war ich gestern schon mal, heute nehme ich den richtigen Abzweig

Die darauffolgende Stunde ist … schwierig … und mit schwierig meine ich, definitiv zu schwierig für mich. Aus meiner Komfortzone bin ich ja gestern schon raus gewesen, aber das hier … puh … sagen wir es mal so: wenn Norweger ein Seil zur Sicherung spannen, dann ist das definitiv fünf Nummern zu schwer für mich. Ich würde ja sagen, dass das hier zum Teil eine kleine Klettertour ist, nur halt ohne Helm und Sicherung … es sind zwar immer nur ein paar Meter, aber eine schwierige und steile Stelle schließt sich an die nächste an. Ganz ehrlich: ich krabbele häufig auf allen Vieren und mein Rucksack und ich wandern jetzt getrennt… Er wird meist eine „Stufe“ nach oben geworfen, dann folge ich kriechend 😉 An manchen Stellen geht es auch nicht nur steil nach oben, sondern auf der einen Seite auch noch steil nach unten … das sind dann die Stellen, an denen so locker flockig ein Seil in den Fels gerammt wurde… Nun ja … Vermutlich hab ich mich auch einfach ganz schön dumm angestellt, denn als ich danach nochmal ein paar der Wanderbeschreibungen lese, empfinden das andere zwar als schwierig, aber vom Kriechen ist da keine Rede 😉

Hier sieht man dann Seil, aber nicht den Fels auf dem ich saß, als ich erstmal das Seil erreichen musste 🙂

Nach einer Stunde bin ich nicht besonders weit und nicht besonders hoch gekommen, aber die schwierigsten Stellen habe ich geschafft. Mein Rucksack sitzt wieder auf dem Rücken und ich hoffe einfach nur, dass sich solche Stellen nicht noch häufiger auf dieser Wanderung wiederholen. Tun sie tatsächlich nicht. Die restliche Wanderung (und es sind noch vier weitere Stunden) ist anspruchsvoll, aber wunderschön. Die Ausblicke einfach sagenhaft toll (ich kann Königin Sonja hier schon verstehen 😉 ). Der Weg windet sich über die Hochebene, führt leicht am Kamm wieder hinunter, um dann wieder anzusteigen. Anstrengend, aber gut machbar. Hatte ich die Blicke schon erwähnt? 😉

Ganz da unten zwischen den beiden Berglein am Meer bin ich heute Morgen entlang gewandert… aus aktueller Perspektive wäre das Wort „spaziert“ vermutlich treffender 😉
Blick auf die umliegenden Bergketten
Ganz da unten kann man es erahnen: das kleine Örtchen Stø, Ausgangs- und Endpunkt… dort steht irgendwo Emma …

Als irgendwann ganz in der Ferne an der Küste dann mein Ausgangsort Stø wieder auftaucht, freue ich mich zum Einen, habe aber auch ein bisschen Bammel vor dem Abstieg. Diesmal aber unberechtigterweise. Klar sind solche Abstiege anstrengend, aber ansonsten gut machbar. Als mir irgendwann eine halbe Stunde vor Ende dann die ersten Einheimischen mit Hunden auf der Gassi-Abendrunde begegnen, muss ich grinsen. Ich hier mit Anstrengung im Gesicht und meinen beiden Wanderstöcken, immer schön langsam nach dem besten Tritt suchend und da die beiden Frauen mit ihren Hunden, die entspannt plaudernd den Berg hochlaufen. Norweger halt … was für die der Abendspaziergang ist, ist für mich eine anstrengende Wanderung 🙂

Nach acht Stunden stehe ich wieder bei Emma. Fünf bis acht Stunden waren auch tatsächlich angegeben, ich habe allerdings zwei Kilometer und einen Berg nach Nyksund, dem anderen Fischerdörfchen, abgekürzt, weil ich ja gestern schon dort war. Ich habe also einen neuen Geschwindigkeitsrekord aufgestellt, halt in die falsche Richtung, aber was soll’s 😉

Mein Rückweg zum Campingplatz ist auch nochmal ganz schön wunderbar
Und abends gibt’s wieder Polarlicht-TV

Tags drauf schlägt das Wetter dann leider um. Es regnet. Meine Entscheidung, wohin es als Nächstes geht, fällt anhand der Wetterapp: im Süden ist für die Lofoten für die kommenden Tage nur Regen, im Norden für die weiteren Inselchen Richtung Tromsö etwas besseres Wetter angesagt. Also auf in Richtung Tromsö, ganz bis dorthin werde ich es aber nicht mehr schaffen, das ist tatsächlich noch mal ganz schön weit weg im Norden.

Das erste Inselchen heißt Andøya. Hier gibt es eine tolle Küstenstrasse und richtig viele und lange Sandstrände. Eigentlich wollte ich heute mal wieder „wild“ campen, aber besonders viele kleine Parkplätze gibt es nicht und die meisten liegen direkt an der Straße … Ich entdecke einen richtig schönen kleinen Campingplatz direkt am Wasser und bleibe hier ganze zwei Tage. Einerseits weil es hier so gemütlich ist und das Wetter teilweise echt mies, andererseits weil ich dringend mal wieder ein bisschen was am Blog machen muss und es hier wlan gibt 😉

Stürmisch hier … aber grade trocken

Eigentlich zieht sich der Himmel nach meinem kleinen Strandspaziergang direkt wieder zu. Als ich aber abends aus dem „Bad“ zurück zu Emma laufe und mal eben kurz nach oben gucke, hat sich eine Lücke aufgetan und ich sehe die herrlichsten Polarlichter…

Ich schnappe mir meinen Campingstuhl, Decke drauf, ich drauf, noch ne Decke oben auf und gucke in den Himmel. Absolut fantastisch… da ich ein bisschen im Windschatten sitze, ist auch dieser auszuhalten und ich sehe die tollsten „Bilder“ am Himmel. Sonst sind es ja meist so langgezogene Schleier oder Wellen, heute kann man, mit ein bisschen (viel) Fantasie lustige Formen „erkennen“.

Meine Top 3: ein Gesicht (ein grimmiges, eher so Lord Voldemort-mäßiges 😉 ), ein Schneebesen 🙂 und so ein Hui Bui mäßiges Gespenst … und das ganz nüchtern 😉

Na, was erkennt ihr?

Später stürmt und regnet es wieder und Emma wird richtig schön durchgeschüttelt.

Morgens ist es sogar freundlich, aber gegen Mittag geht das Unwetter wieder los.

Campingplatz bei Sonne

Wie schön, dass es hier auch eine kleine süße Küche gibt, die nichts von einer üblichen Campingplatz-Küche hat, sondern so wie die alte Küche von den Campingplatzbesitzern aussieht und richtig gemütlich ist. Holzschränke und -Arbeitsfläche, zwei kleine Tischchen und ein paar Sitzgelegenheiten und perfektes WLAN. Meinen Tag zwischen den beiden Übernachtungen verbringe ich daher im Wesentlichen hier, es ist warm und ich habe das Zimmerchen fast nur für mich alleine. Während draußen Regen und Wind um die Ecken peitschen, sitze ich drin und trinke Tee und Kaffee aus geblümten Kaffeetassen 🙂 Himmlisch.

Am nächsten Tag geht es für mich weiter. Nicht weit vom Campingplatz entfernt, gibt es noch eine viel gelobte Wanderung mit tollem Blick und mein Muskelkater hat mir signalisiert, dass ein bisschen wandern geradeso wieder okay wäre 😉

Gerade (also ohne Höhenunterschiede) Wanderungen gibt es anscheinend auf diesen Inseln nicht. Es geht immer und überall direkt nach oben. Dieses Mal aber zum Glück nicht so steil. Dafür mit vielen Mitmenschen. Es regnet kaum und endlich oben angekommen, ist der Blick auch wirklich toll … klar, Sonne wäre auch schön gewesen, aber es ist jetzt halt nun mal Herbst. Kann man nix machen. Toll ist die Sicht trotzdem!

Tierische Begegnungen unterwegs
Am Ziel

Etwas mühevoll geht es wieder zurück zum Auto und nach einem kurzen Stopp im kleinen Örtchen Bleik dann Richtung Fähranlegestelle. Ein kleines Stückchen nördlich will ich noch, auf zur Insel Senja.

Pause in Bleik

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