Ich war zu viel wandern in den letzten Wochen, erst auf Senja, dann auf den Lofoten – da bin ich abends nicht mal mehr Blog schreiben gekommen … naja, lieber spät als nie 😉
Nach Senja fahre ich mit der Fähre, habe ich beschlossen. Zwar weiß ich nur, wann diese fährt und wie lange, nicht aber wie viel die kostet (das steht wirklich nirgendwo …). Außerdem lese ich zwei Stunden vor Abfahrt, dass viele nicht mehr auf die Fähre passen, wenn sie erst kurz vor Abfahrt da sind, weil die Fähre nach dem Prinzip „First comes, first served“ funktioniert und häufig viel zu viele mitfahren wollen. Es gäbe wohl immer vier Autoreihen, aber nur Reihe 1 bis 3 kämen mit … na, denke ich, wird vielleicht Mitte September nicht ganz so wild sein, aber sicher ist sicher. Was soll ich sagen, da stehe ich nun, noch knapp zwei Stunden bis Abfahrt und bin auf Platz 3 – in Reihe 1 🙂 Ich sollte wohl drauf passen und mache mich ein wenig lustig über mich selber, es ist halt schon völlige Nebensaison. Zwei Stunden später geht es los, die Fähre ist wirklich nur sehr spärlich besetzt, so viel Platz, sowohl beim Einparken, als auch oben in der Fähre überall… einfach herrlich.


Aber: Als wir auf Senja ankommen, ist der dortige Fährhafen übervoll, alle vier Reihen besetzt und auf der Straße staut es sich noch… hatte ich wohl einfach nur Glück, hier kann trotz Nebensaison noch viel los sein …
Weil das Wetter wirklich nur sehr mittelmäßig angesagt ist, habe ich mir für die ersten beiden Nächte mal wieder ein Airbnb Zimmer gegönnt – dummerweise am anderen Ende der Insel, also fahre ich nochmal eine Stunde, leicht in die Dämmerung hinein, komme aber noch vor Dunkelheit an. Vom Haus hat man einen sensationellen Blick auf Meer und Berge, sogar aus meinem Zimmer kann ich mit leichter Verrenkung ein unglaubliches Panorama genießen.
Ausschlafen wäre natürlich auch klasse gewesen, aber das hier ist ein Familienzuhause mit nicht so großen und schulpflichtigen Kindern 😉 und wenn morgens kurz nach sechs ein Kind über den Flur rennt, kann es dabei noch so leise machen, ich bin jetzt wach… 🙂
Meine Gastgeberin hat mir eine Wanderung empfohlen und ich mache mich (irgendwann) dann mal auf, das Wetter sieht jetzt zwar nicht traumhaft schön, aber auch nicht fürchterlich schrecklich aus. Es geht zum Husfjellet (natürlich wieder am anderen Ende der Insel) und als ich so durch Senja fahre, merke ich, was für ein traumhaft schönes Fleckchen Erde das eigentlich ist. Manche sagen, Senja ist noch schöner als die Lofoten es sind – das kann ich zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht einschätzen, aber ich weiß: die Lofoten werden sich ganz schön viel Mühe geben müssen, hier mitzuhalten. Tiefe Wälder und schroffe Berge und am Rande der Insel (logisch, wo sonst?) das Meer … und überall kleine Pfade mit Wanderschildern, die von den Straßen abzweigen. Außerdem: nicht übermäßig viele Menschen. Aber auch nicht zu wenige 😉 Da war ich bis jetzt einsamere Strecken gewöhnt. Alleine bin ich hier nirgends, aber zumindest tritt man sich noch nicht auf die Füsse. Das liegt zum einen an der Nebensaison, zum anderen daran, das ich hier „nur“ auf Senja und eben nicht auf den Lofoten bin.
Die Wanderung auf den Husfjellet (oder das?) ist wunderschön, stetig bergan (aber was anderes erwarte ich mittlerweile auch nicht mehr von Norwegen 😉 ), aber die Pfade sind gut machbar, es geht über Stock und viel Stein, aber nie sonderlich steil und nie mit Abgrund. Wie schön!! Ein Stückchen wird es mal sehr matschig, hier liegen zwar wieder Bohlenbretter, aber manche sinken auch ganz schön ein, wenn man drauf tritt. Und als ich mal links und rechts einer Bohle meinen Wanderstock so in den Schlamm stecke, sinkt der auch und trifft – zumindest in den ersten dreißig Zentimetern – auf gar keinen Widerstand, also: schön auf den Brettern bleiben!

Immer höher geht es, der Ausblick wird immer grandioser – wenn nicht, ja wenn nicht das Wetter auch immer mieser würde… es fängt an zu regnen und die umliegenden Berge sind ebenfalls leicht regenverschleiert. Der Blick ist aber trotzdem grandios von hier oben. Die letzten zweihundert Meter spare ich mir, da wird es dann nämlich doch mal kurz etwas heikel, links ein Abgrund, rechts ein Abgrund und in der Mitte ein kleiner steiler Pfad. Nein danke 🙂 Was ich übrigens auch toll finde: hier sind endlich auch mal ein paar Leute, die mein Tempo laufen, sonst hab ich ja immer das Gefühl, dass ich wie eine kleine Schnecke den anderen hinterherkrieche 😉


Das Wetter wird übrigens wieder besser. Auf dem Rückweg klart es auf und später wird es sogar kurz richtig sonnig. Ein ganz kleines bisschen ärgere ich mich, das ich nicht einfach eine Viertelstunde später unterwegs gewesen bin – dann hätte ich die Berge schon oben auf dem Gipfel klar sehen können, aber eigentlich ist das Jammern auf recht hohem Niveau … und als ich dann noch einen Regenbogen entdecke, ist die Welt wieder ganz rundherum in Ordnung.


Auf dem Rückweg mache ich noch kurz Halt an einem wunderschönen Aussichtspunkt. Man sieht, das Wetter ist wieder top…

Tags drauf ist die wohl bekannteste Wanderung auf Senja dran – oder die vielleicht zweibekannteste. Denn Senja’s „Hausberg“ ist der Segla – und wie ein Wanderblogbeitrag so schön bemerkt: wenn man den Segla sehen möchte, dann sollte man eben nicht auf den Segla, sondern den Nachbarberg steigen 🙂 Und das wäre dann der Hesten. Zur Hochsaison habe ich gelesen, wandert man hier manchmal in Schlange … na herzlichen Dank auch – und dabei gilt Senja immer noch als unentdecktes Juwel, das viele Touristen nicht kennen…
Die erste kleine Herausforderung, bevor die Wanderung überhaupt startet, sind zwei Tunnel, die durchfahren werden müssen. Beide einspurig, sehr rustikal und interessant ausgeleuchtet 😉 Hier mal ein Foto – und ja, das ist nicht perfekt, gibt die Stimmung aber ganz gut wieder.

Im Tunnel gibt es immer mal wieder kleine Haltebuchten und aufgrund des Lichts sieht man sich gegenseitig eigentlich ganz gut. Klar, bei einem VW Bus sehe ich nur noch Licht, aber – tada – als ich fast auf seiner Höhe bin, merkt er es endlich auch und schaltet das Fernlicht mal wieder aus, na herzlichen Dank auch (und ganz ehrlich: Fernlicht braucht man in diesen durchaus beleuchteten Tunneln echt nicht).
Jetzt, zur Nebensaison ist immer noch recht viel los auf dem Wanderweg, aber ich kann weitestgehend ungestört den Berg hochlaufen. Den Berggipfel kann man von zwei Seiten erwandern und eine kleine Rundtour draus machen … das habe ich auch erst vor, beschließe aber tatsächlich auf halber Strecke umzudrehen, denn hier ist es mal wieder richtig steil, der Wind frischt auf und der kleine Pfad, der sich da um den Gipfel windet, sieht doch einfach eine Spur zu schmal, steil und abgründig aus … also steige ich ganz langsam wieder ab und versuche es nochmal von der anderen Seite, hier ist der Grat des Hesten, von dem man aus eine herrliche Sicht auf den Segla (den Hausberg) hat und auf diesem Grat bleibe ich dann auch einfach, als ich deutlich einfacher als angenommen oben angekommen bin und bin sehr froh, dass ich nicht die ganze Rundtour gemacht habe – von hier aus kann man den Weg besser erkennen und besonders schön zu laufen kann das nicht sein.



Ich mache hier ja auch echt gerne und viele Fotos – klar, sehr simpel mit meiner Handykamera, aber trotzdem. Aber manche Menschen … ich sitze ein bisschen geschützt von einem großen Felsen und kann herrlich Menschen um mich herum beobachten. Ein paar Meter neben mir posiert seit einer gefühlten Viertelstunde eine junge Frau und führt die Anweisungen ihres (Kamera-)Mannes aus 😉 herrlich … ich glaube, sie hat jetzt in wirklich jede erdenkliche Richtung geguckt, mal ernst, mal lächelnd, mal mit ausgestreckten Armen, mal direkt in die Kamera und mal mit dem Rücken zugewandt… die beiden treffe ich auch noch recht häufig auf dem Rückweg, sie sind zwar schneller als ich, wenn sie mal wandern, aber sie stehen halt auch viel rum mit ihrer Kamera (und später noch mit ihrer Drohne). Für mich gehts aber wieder zurück zum Auto und dann auf die Suche nach einem geeigneten Schlafplatz – heute wieder mal in Emma. Es fängt an zu regnen und es wird zunehmend dunkler … während es die ersten beiden Tage und Nächte eigentlich noch ganz gut ging vom Wetter her, wird es heute deutlich schlimmer – das wäre dann wohl eher der Tag für ein Airbnb gewesen… aber jetzt ist es zu spät, die noch verfügbaren Unterkünfte auf Senja für heute Nacht zu weit weg und viel zu teuer.
Kurz bevor es richtig dunkel wird, habe ich dann einen ganz kleinen Wanderparkplatz an einer nicht allzu viel befahrenen Straße gefunden. Schön ist jetzt anders, aber egal, ich stehe grade, niemand sonst hier da und für eine Nacht ist das völlig ausreichend. Nachts geht ein Schauer in den nächsten über und es ist ganz schön laut in Emma. Am nächsten Morgen hat es sich aber so einigermaßen beruhigt und ich bleibe bei meinem Plan, noch den zweiten Nationalpark auf Senja anzuschauen und nicht doch wieder gen Festland zu flüchten.
Der Ånderdalen-Nationalpark liegt südwestlich auf Senja und ist der eher unbekanntere. Wahrscheinlich liegt es auch am immer noch recht üblen Wetter, das ich hier ziemlich alleine auf den Straßen unterwegs bin. Ich fahre über einen tollen Pass (der Blick hier muss atemberaubend sein bei gutem Wetter) und dann windet sich die Straße langsam wieder Richtung Küste.

So richtig weiß ich nicht, wohin heute mit mir. Es regnet und einen Plan hab ich auch nicht mehr, aber ich will hier noch nicht weg … also folge ich dem kleinen Sträßchen einfach immer weiter an der Küste entlang, halte mal für ein bisschen frisch gekochten Kaffee und Kekse und sehe irgendwann wieder so ein kleines grünes Wanderschild an einem Pfad an der Straße und kurz darauf einen winzigen Parkplatz. Es hat aufgehört zu regnen und ich beschließe, jetzt einfach mal ein Stückchen zu wandern. Ein bisschen Ernüchterung folgt, als ich zu Fuss dann am Wanderschild stehe, der Weg ist als „rot“, also schwer markiert. Der Anfang sieht aber nett aus und ich laufe einfach mal los. Das erste Drittel des Weges ist super matschig. So schnell kann ich gar nicht gucken, sind die Füsse nass. Ich habe aber schon länger gemerkt, das ich das bis auf den ersten Moment gar nicht so dramatisch finde, solange ich weiß, das im Auto noch ein trockenes Paar für später wartet und es nicht auf noch von oben ohne Ende schüttet. Aber bald wird es um die Füsse herum wieder trockener und ich steige einfach stetig den Weg nach oben, der bis jetzt für norwegische Verhältnisse vielleicht maximal mittelschwierig ist, eigentlich sogar eher einfach – und wunderschön. Der Blick wird mit jedem Meter schöner, Heidelandschaft, hohe Gräser und Birken begleiten meinen Weg. Nach etwas mehr als einer Stunde bin ich dann auf einer Art Felsplateau angekommen, hier geht der Weg zwar weiter, aber ab hier wird er dann wohl doch schwierig – und nebelig. Zumindest die Bergspitzen sind in Nebel gehüllt und das ist eigentlich das einzige an „Wetter“, welches ich wirklich vermeiden möchte: solange ich den Weg gut sehen kann, ist alles fein, nur im Nebel wandern mag ich nicht, das ist mir zu heikel. Das kleine Picknick ist eine recht stürmische Angelegenheit, aber geht noch so und dann gehts langsam wieder nach unten, ganz gemütlich, immer mit diesem tollen Blick vor Augen. Getroffen habe ich übrigens keine Menschenseele. Ich bin hier auf der unbekannten Seite der Insel und ich muss sagen, so macht mir Wandern nochmal mehr Spaß, ich hab die Natur ganz für mich alleine. Die Füsse, die fast trocken waren, werden natürlich auf dem letzten Stück des Weges wieder klatschnass und heute hole ich zum ersten Mal mein zweites Paar Wanderschuhe aus dem Auto“keller“. Kaum bin ich im Auto, fängt es übrigens tatsächlich wieder an zu regnen. Was hatte ich für ein Glück. Ich habe genau die beiden regenfreien Stunden abgepasst.



Später finde ich fast am Ende der Straße (also sie endet dann einfach wirklich in einem winzigen Fischerdörfchen), einen kleinen Wanderparkplatz. Etwas geschützt und mitten im Grünen und die Straße, die eh schon sehr, sehr spärlich befahren ist (während ich zwei Stunden wandern war, hatte ich die Straße in der Regel gut im Blick und habe weniger als zehn Autos gezählt), stellt ihre Aufgabe quasi über Nacht komplett ein 😉


Gut gestärkt und weil es grade nochmal trocken ist und deutlich heller, als ich es momentan so gewöhnt bin, laufe ich ein Stückchen des kleines Pfades, der von meinem Parkplatz startet und beobachte nach einem wieder wunderbaren Waldweg halb oben am Berg angekommen die langsam untergehende Sonne …



Ich finde es ja auch spannend, wie schnell man sich so insgesamt umstellt. Zuhause in Deutschland würde ich bei zehn Grad vermutlich nur leicht gezwungenermaßen mal für einen kurzen Spaziergang das schützende und warme Haus verlassen. Hier sitze ich entspannt im Campingstuhl, klar mit zwei Decken, Mütze und Schal, einer dicken Jacke und einem Tee, aber trotzdem draußen ganz gemütlich mit einem Buch in der Hand und flüchte erst ins Auto, als das Buch einfach schon sehr viele Regentropfen abgekriegt hat…
Das Wetter am nächsten Morgen macht es mir halbwegs einfach, mich zu verabschieden von dieser so wunderschönen und eben auch überraschend tollen Wander-Insel. Es schüttet nämlich und stürmt. Für mich geht es heute auf dem Landweg (so mehr oder weniger, eine Fährüberfahrt ist eingeplant) endlich auf die Lofoten. Ich bin so gespannt. Manchmal sind die Erwartungen ja auch einfach zu hoch – und meine Erwartungen an die Lofoten sind so dermaßen groß aufgrund der vielen schwärmenden Reiseberichte – wie gesagt, ich bin gespannt 🙂
